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Beitrag vom 26.10.2007
Auf DVD. Paris was a Woman – Ein Film von Greta Schiller
Marietta Harder
Frauen in der Politik oder als Studentinnen an der Universität? In den 20er Jahren undenkbar. Dennoch hatten einige das Ziel, sich zu verwirklichen, unabhängig zu sein – und gingen nach Paris.
Die Stadt an der Seine – magisch zog sie Schriftstellerinnen, Journalistinnen und Malerinnen an, die ihren Beruf ausüben und ein freies Leben führen wollten, ohne durch ein moralisches Korsett eingeengt zu werden. Ob als Wegbereiterin der Bücherei – wie Adrienne Monnier es war – oder mit dem Ziel der Emanzipation, hier öffneten sich Türen für selbständige Künstlerinnen, die zeigten, dass nicht nur Männer denkende Wesen waren: Gertrude Stein, Alice B. Toklas oder Sylvia Beach sind nur einige Frauen, die ihre Heimat und manchmal auch das Eheleben in den USA (oder der englischen Provinz) hinter sich ließen. In Paris fanden diese "Neuen Frauen" schnell ihr Paradies und beeinflussten das kulturelle Leben der 20er Jahre nachhaltig.
Doch was machte diese Zeit so besonders, die französische Metropole so faszinierend? Anfänglich an den Geschichtsunterricht in der Schule erinnernd, nimmt sich der Film von Greta Schiller dieser Frage an und zieht die ZuschauerInnen des 21. Jahrhunderts immer mehr in seinen Bann. Auch wenn es schwer fällt, zwischen all den Namen eine Verbindung herzustellen und die Liebesbeziehungen zuzuordnen, erzählen die Bilder und Tonaufnahmen von einer besonderen Zeit, verbreiten Aufbruchstimmung. Die Fotos werden lebendig und die Stummfilmelemente zu Beginn eines neuen Kapitels lassen das Publikum in die kulturelle Atmosphäre der "Goldenen Zwanziger" eintauchen. Schnell verliert der Film seinen steifen Lehrcharakter und fügt Ausschnitte der literarischen Werke dieser Zeit gut in die Mischung aus Originalaufnahmen und Interviews der heute "alten" Frauen.
Und auch lesbische Beziehungen werden thematisiert. Wie selbstverständlich spricht die Dokumentation von der Liebe unter Frauen und zeigt so auch die Fortschritte der Emanzipation auf.
"Die einzige Persönlichkeit, über die ich gerne schreiben würde, (...) ist Paris, Frankreich, wo wir alle zusammen waren", hält Gertrude Stein 1939 fest und denkt dabei an die täglichen Treffen in der Lieblingsbücherei oder das Café, in dem Lesungen und Versammlungen stattfanden. BuchliebhaberInnen konnten hier mit den bekannten AutorInnen diskutierten und intellektuelle Zirkel gründen. Leben, lieben und arbeiten ließ sich unkompliziert verbinden für die "Neuen Frauen", zu denen auch die Romanautorin Djuna Barnes und Journalistin Janet Flanner zählten.
Doch nicht immer verlief die gemeinsame Zeit friedlich: Uneinigkeiten und Konflikte gab es vor allem hinsichtlich künstlerischer Schwerpunkte, politischer Ansichten und Sexualität. Letztendlich traten diese Streitigkeiten aber hinter ihrer Freundschaft und dem Respekt vor der Arbeit der jeweils anderen zurück.
Mit Beginn der NS-Diktatur änderte sich die Situation für die unkonventionellen Künstlerinnen schlagartig: Viele Bücher wurden verboten und beschlagnahmt, die Freiheiten der französischen BewohnerInnen eingeschränkt. Spätestens mit der Besatzung von Paris 1940 ging "diese ungewöhnliche Frauengemeinschaft jäh zerbrochen."
Während Gertrude Stein und ihre Partnerin Alice B. Toklas sich auf dem Land versteckten, wanderten einige Künstlerinnen aus oder gingen aktiv gegen den Faschismus vor. Nathalie Barney und Romaine Brooks wählten jedoch einen anderen Weg: Sie zeigten Sympathie für Mussolini und zogen nach Italien.
AVIVA-Tipp: In den 20ern war Paris neben Berlin die kulturelle Hauptstadt und bot einer Gruppe von Frauen eine Möglichkeit, kreativ zu sein. Wer von dieser Zeit fasziniert ist und persönliche Einblicke in das Leben der damals bekannten Künstlerinnen bekommen möchte, erfährt hier einiges über den Mythos der faszinierenden Jahre zwischen den Weltkriegen. Ohne die vorgestellten Frauen hochzuloben, gelingt Greta Schiller mit "Paris was a Woman" ein interessantes und zugleich ästhetisches Portrait der intellektuellen Frauengruppe am linken Seineufer. 1996 erhielt dieses Werk in Creteil den Preis als "Bester Dokumentarfilm".
Zur Regisseurin: Greta Schiller, geboren 1954 in Detroit ist eine unabhängige amerikanische Filmemacherin, die bereits mehrere preisgekrönte Dokumentarfilme produzierte. Sie bekam unter anderem für "Before Stonewall: The Making Of a Gay and Lesbian Community" einen Emmy und gewann den TEDDY der Berlinale für "The Man who drove with Mandela". Greta Schiller gründete gemeinsam mit Andrea Weiss die Produktionsfirma Jezebel Productions.
Weitere Infos unter: www.jezebel.org
Andrea Weiss veröffentlichte 1998 das Buch "Paris war eine Frau – Die Frauen von der Left Bank" im Rowohlt Verlag.
In der Edition Salzgeber ist ebenfalls kürzlich die DVD "Frauen im Jazz" erschienen. Regie führten in dieser Dokumentation, die erstmalig 1986 veröffentlicht wurde, Greta Schiller und Andrea Weiss.
Weiterlesen:
Gertrude and Alice: 100 Years, 100 Roses
Paris Was A Woman
Regie: Greta Schiller
Erzählerin Juliet Stevenson
Großbritannien, USA, Deutschland 1996
Verleih: Edition Salzgeber, erschienen 22.10.07
75 Minuten, S/W und Farbe
DVD-Specials: Zusätzliche Szenen, Interviews, private Filmaufnahmen von Gertrude Stein, Picasso u.a., Kinotrailer, Bildergalerie
25 Euro
www.salzgeber.de